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AutorenbildGSF Team

Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2020:

Was Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Norddeutschland bewegt


Mit der Agenda 2030 hat die Bundesregierung sich verpflichtet, eine nachhaltige Entwicklung zum Leitprinzip für alle politischen Entscheidungen zu machen, vom Energie- und Ressourcenverbrauch über Wirtschaftspolitik bis zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit.


Das Ziel ist kein geringeres, als eine Transformation unserer Gesellschaft in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit nach der Formel: wirtschaftlich leistungsfähig, sozial ausgewogen, ökologisch verträglich. Obwohl diese Themen auf den höchsten Ebenen der Politik verankert sind, lassen sie sich nicht mit einem Top Down Mechanismus bewegen. Die Bundesregierung setzt daher seit 2015 auf einen engen Dialog und Kooperation mit den Ländern und Kommunen, um die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) alle vier Jahre weiter zu entwickeln. Im aktuellen Jahr 2020 soll die neueste Version beschlossen werden. Die Bundesregierung machte den Auftakt der Dialogkonferenzen im Oktober 2019 in Berlin und die GSF nahm daran teil, um Aspekte der nachhaltigen Immobilien- und Finanzwirtschaft in die Bundessicht mit einzubringen.


Bei der Regionalkonferenz zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie in Norderstedt am 22. Januar 2020 bekamen wir einen Eindruck davon, welche Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Norddeutschland besonders bewegen.



Bildquelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/nachhaltigkeitskonferenz-1715012


Zielkonflikte auf dem Weg zur Nachhaltigkeit


Schon während der Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Bundes- und Landesregierung, sowie Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft ging es hoch her. Denn sobald die ökonomische, ökologische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit nebeneinandergestellt werden, sind Zielkonflikte auf dem Weg in die viel beschworene „enkelgerechte“ Zukunft sichtbar. Professor Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, brachte einen solchen Widerspruch auf den Punkt: Die wirtschaftlichen Anreize für den Umstieg auf erneuerbare Energien, ebenso wie für eine nachhaltige Landwirtschaft müssen einfach stimmen. Zur Zeit ist jedoch das Preisverhältnis zwischen den teilweise noch subventionierten „schmutzigen“ Energieträgern wie Kohle und den erneuerbaren Energien wie Windkraft einfach ungünstig, da die Produktion und Nutzung von erneuerbaren Energien zu einem hohen Strompreis führt. Aus seiner Sicht müssten Bundesländer wie Schleswig-Holstein, die zu den Hauptproduzenten von Windkraftenergie zählen, auch davon profitieren.


Diesen Punkt griff der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther auf und wies darauf hin, dass auf der einen Seite der Kohleausstieg in betroffenen Regionen in den nächsten beiden Dekaden mit Strukturhilfen von etwa 40 Milliarden Euro unterstützt wird. Demgegenüber steht das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms bis 2035 auf 60 % zu erhöhen. Da wäre die Frage, warum Länder, die diese erneuerbaren Energien produzieren, nicht gleichermaßen gefördert werden? Aus seiner Sicht seien einige Entscheidungen in den politischen Ressorts der Bundesregierung gegenläufig. Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellte diesem Argument die soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung gegenüber. Sie machte deutlich, dass die Folgen des Kohleausstiegs, wie ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen, menschlich aufgefangen werden müssen. Diese Debatte steht nur exemplarisch für die lebhaften Gespräche, die während der Konferenz über Anreize und Sanktionen für eine nachhaltige Nutzung unserer gemeinsamen Ressourcen geführt wurden.


In der Vielfalt der Themen, die von ökologisch verträglicher Landwirtschaft über nachhaltigen Tourismus bis zum Schutz der Biodiversität in den Meeren reichten, hatten alle Diskussionen einen gemeinsamen Nenner: Es entsteht immer wieder ein Knäuel an Widersprüchen, wenn die ökonomische, ökologische und soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung bei der Lösung eines Problems berücksichtigt werden sollten und dies lässt sich nicht durch das Ziehen an einem einzigen Faden auflösen. Zudem laufen zahlreiche Knoten in der Frage der Verteilung finanzieller Ressourcen zusammen.


Best Practice aus Nordfriesland


Möglicherweise lassen sich aber viele Knoten der ökonomischen und technischen Herausforderungen auflösen, wenn man sie auf die Ebene der regionalen Akteure herunterbricht, wie Landrat Florian Lorenzen aus dem Kreis Nordfriesland erklärte. Bereits 2007 hat Nordfriesland die Initiative ergriffen und begonnen, an einem Klimaschutzkonzept zu arbeiten. Ganz bodenständig liegt diesem Konzept eine Bilanz von Energieverbrauch und CO2 Emissionen in unterschiedlichen Bereichen von privaten Haushalten bis zu Wirtschaft und Verkehr zu Grunde. Bei der Produktion und Nutzung von erneuerbaren Energien wie Windkraft, Solarthermie und Biogas hat Nordfriesland die Nase vorn, doch dem stehen eine Gebäudestruktur mit vielen Einfamilienhäusern und ein hohes Verkehrsaufkommen entgegen. Aus einer Analyse des Ist-Zustandes lassen sich ganz konkrete Maßnahmen ableiten, die von der Beleuchtungssanierung in öffentlichen Gebäuden bis zur Veränderung der Infrastruktur reichen. Auf dem Papier klingt das alles nicht sexy, sondern technokratisch. In der Realität können nun Geld und personelle Ressourcen mit klaren Zielen investiert und Fördermittel für konkrete Projekte beantragt werden. So kommt nachhaltige Entwicklung in der ökonomischen Dimension in Schwung.


Spielentscheidend für den Erfolg ist jedoch nicht allein der Fluss des Geldes. Im Kreis Nordfriesland wurden Experten und Akteure aus relevanten Bereichen mit Vertretern aus Politik und Verwaltung zusammengebracht, um das Projekt Klimaschutz gemeinsam zu steuern. Um im Bilde zu bleiben: die Kanäle für einen freien Fluss der Mittel müssen durch günstige Rahmenbedingungen aus Politik und Verwaltung freigehalten werden, sonst kommt die Bewegung der nachhaltigen Entwicklung zum Stillstand. Das Beispiel aus Nordfriesland kann auch deswegen als Best Practice verstanden werden, weil der Kreistag beschlossen hat, einen Nachhaltigkeits-Manager einzustellen, der weiterhin für die Vernetzung aller Akteure in der Region sorgt und die Nachhaltigkeitsstrategie voranbringt. Die Kette, die sich aus der grundlegenden Entscheidung für eine nachhaltige Ausrichtung ergibt, reicht von Gemeinwohlbilanzierungen in nordfriesischen Gemeinden bis zur regionalen Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien. Die ökonomische und die soziale Dimension greifen in einer kooperativen Nutzung der verfügbaren Ressourcen ineinander.


Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit


Wie das Beispiel aus Nordfriesland zeigt, können Politik, Initiativen, Unternehmen und Vereine sich in ihren Gemeinden und Regionen persönlich in Projekte einbringen, die im besten Sinne nachhaltig wirken, weil sie sich gezielt mit Problemen vor Ort auseinandersetzen. Liegt die Lösung also in einer Bottom Up Strategie für Nachhaltigkeit?


Auf der Regionalkonferenz in Norderstedt trafen im Workshop „Gesellschaftliche Akteure als Partner für eine nachhaltige Entwicklung - Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“ viele Akteure aus der Zivilgesellschaft zusammen, um Erfahrungen aus Projekten auszutauschen, die zu diesem Gemeinschaftswerk beigetragen haben. Auch dabei trat die ökonomische Dimension als roter Faden in Erscheinung. In Form von Geldmitteln und daraus folgenden Konsequenzen für finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen war sie entscheidend für den Erfolg und die Wirkung vieler Projekte.


Grüne Förderung und Finanzierung sind allerorts gefragt


Im Gespräch mit Initiatoren verschiedener Projekte hörte das GSF Team immer wieder von wunderbaren Ideen, beispielsweise der Nutzung von freien Kirchengrundstücken für den Aufbau bezahlbarer Micro Apartments. Das zentrale Problem dabei war immer wieder die Finanzierung, denn großem Engagement fehlt fast immer eine gute Fundraising Strategie. Dies wird vor allem zum Problem, wenn man hochwertige Projekte auf der Basis von ehrenamtlicher Hilfe stemmen will. Die Arbeit der Beteiligten ist weitgehend unbezahlt, die soziale Dimension der Nachhaltigkeit gerät in Schieflage und so versanden viele Projekte nach einer kurzen Förderung wieder. Das GSF Team hat selbst im Engagement um das Projekt „Drache erweckt die hamburgische Altstadt“ die Erfahrung gemacht, dass mit der Finanzierung oft nicht nur das Projekt, sondern auch das Weitergeben von wertvollem Wissen in Netzwerken steht und fällt.


Aus dem Erfahrungsaustausch konnten wir zwei GSF-spezifische Erkenntnisse mitnehmen: Nachhaltige Entwicklung kann nicht nur Top Down oder Bottom Up funktionieren, sondern braucht politische Weichenstellungen und finanzielle Förderung auf allen Ebenen, von der Bundesregierung bis in die Kommunen, von professioneller Ebene bis zum Ehrenamt. Darüber hinaus sind Konzepte zur grünen Finanzierung und Investitionen in Projekte für eine nachhaltige Entwicklung an zahlreichen Punkten der Nachhaltigkeitsstrategie die Themen der Zukunft. Ohne eine konsequente Finanzierung und Förderung wird eine Strategie nicht operativ umgesetzt. Wir sind gespannt, wie diese Einsicht auf allen Ebenen ihren Eingang in die Nachhaltigkeitsstrategie 2020 finden wird.


Autorin: Julia Barthel


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